Werte Bürgerinnen und Bürger von Speckswinkel,

während andere Dörfer und Kommunen im Landkreis dem Zweckverband Mittelhessischer Wasserwerke angebunden sind, besitzen die Neustädter Ortsteile Momberg, Mengsberg und Speckswinkel eine Insellösung und damit eine eigene Wasserversorgung.

Der Hochbehälter von Speckswinkel muss nach fast 100 Jahren erneuert werden. Nach den Vorgaben des hessischen Kommunalen Abgabengesetzes und der Wasserversorgungssatzung der Stadt Neustadt (Hessen) sind über 90% der netto Baukosten von den örtlichen Grundstückseigentümerinnen und -eigentümern zu finanzieren.

Die Wasserversorgungssatzung der Stadt Neustadt schreibt die Beitragsrechnung nach Veranlagungsfläche vor. Auf Wunsch des Ortsbeirates wurde die Möglichkeit einer alternativen Veranlagung über den Verbrauch rechtlich geprüft. Aus dieser Diskussion heraus wurden seitens der Stadtverwaltung Finanzierungsmodelle erarbeitet und Ergebnisse in der öffentlichen Sitzung am 19. März 2025 vorgestellt: nach den offengelegten Berechnungen ist für rund 90% der Beitragszahler das Modell, welches die veranlagungsfähige Grundstücksfläche berücksichtigt, das günstigere. Ein Entgegenkommen über eine erweiterte Ratenzahlung für Härtefälle mit größeren Grundstücken räumte man uns ein.

In der Bürgerversammlung am 19. März 2025 wurde der Öffentlichkeit als auch dem Ortsbeirat erstmals die Variantenuntersuchung der Behälterbauarten vorgestellt.

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Aus der Versammlung heraus wurde festgestellt und bemängelt, dass die Betonvariante – gegenwärtig die Bauart der Hochbehälter in Speckswinkel, Momberg und Mengsberg – keine Berücksichtigung in der Variantenauswahl fand. Das Planungsbüro, als auch die Stadtverwaltung räumten ein, die Variante in ihren Betrachtungen nicht berücksichtigt zu haben. Am 02. April 2025 wurde seitens des Planungsbüros die Kostenschätzung für die Betonvariante nachgereicht:

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Die Versammlung im März als auch die nachgelagerten Gespräche mit der Stadtverwaltung vermittelten nicht den Eindruck, dass eine Variantenauswahl bereits getroffen wurde.

Anfang Mai wurde der Ortsbeirat auf Nachfrage darüber informiert, dass der Bauantrag für die PE-HD-Variante bereits im Januar 2025 eingereicht wurde.

Der Ortsbeirat kritisiert die Art und Weise der Kommunikation. Die uns vorliegende Situation hätte aus unserer Sicht von Beginn an vermieden werden können, wenn der Ortsbeirat frühzeitig und umfangreich in die Variantendiskussion eingebunden worden wäre. Wir finden eine für uns undurchsichtige Sachlage vor und stellen uns die Frage: wie objektiv ist eine nachgereichte Kostenschätzung der Beton-Variante, wenn bereits ein Bauantrag für die PE-HD-Variante gestellt wurde?

Ein Lösungsansatz, zwei Varianten offiziell auszuschreiben, um einen objektiven Vergleich auf Basis tatsächlicher Angebote zu erhalten, wurde geprüft, ist rechtlich aber leider nicht zulässig.

Meinungsumfrage

Der Ortsbeirat registrierte viel Kritik der Grundstückseigentümer an der Vorgehensweise des Magistrats und an der Auswahl der Baubehältervariante, wollte aber anhand einiger Meinungen keine Schlüsse auf die Mehrheit ziehen. Aus diesem Grund wurde eine Umfrage gestartet, an der die Grundstückseigentümer insbesondere Ihre Meinung zu der Baubehälterart und zu möglichen Mehrkosten abgeben sollten.

Alle Grundstückseigentümer wurden seitens des Ortsbeirates und des Magistrates angeschrieben. Während der Ortsbeirat sein Anschreiben neutral formuliert hatte, um ein möglichst objektives Umfrageergebnis zu erhalten, bezog der Magistrat in seinem Anschreiben klar Stellung zur PE-HD-Varianten und rechtfertigt dort seine Entscheidung.

Die Umfrage erstreckte sich über einen Zeitraum von 10 Tagen. Insgesamt wurden 196 Grundstückseigentümer angeschrieben (Einwurf in die Haushalte), 35 davon wurden per Post versendet. Wir erhielten 79 Rückläufer, was einer Umfragequote von 40% entspricht.

Sondersitzung Magistrat am 03.06.2025:

In einer Sondersitzung des Magistrats am 03.06.2025 bezog der Ortsbeirat zu der mangelhaften Kommunikation sowie dem daraus resultierenden Misstrauen gegenüber den nachgereichten Unterlagen nochmals kritisch Stellung und trug die Umfrageergebnisse vor.

Kritik des Ortsbeirates:

1. Kommunikation:

  • Informationen zu den Baubehälterarten liegen mit der Kostenbewertung des Planungsbüros dem Magistrat seit August 2024 vor.
  • Erste Vorstellung der Baubehälterarten während der öffentlichen Informationsveranstaltung am 19.03.2025, obwohl im Zeitraum zwischen August 2024 und März 2025 3 Ortsbeiratssitzungen stattgefunden haben.
  • Auf explizite Nachfrage wurde dem Ortsbeirat einige Tage vor der Ortsbeiratssitzung am 13.05.2025 mitgeteilt, dass der Bauantrag im Januar bereits gestellt wurde.
  • Warum wurde dem Ortsbeirat diese Information vorenthalten?
  • Warum wurde im März eine Versammlung abgehalten, in der den Bürgern vermittelt wurde, sie würden in die Entscheidung mit eingebunden werden?
  • Für ein Bauvorhaben dieser Größenordnung, dass zu 90% durch die Bürger finanziert wird, sind die Bürger (über das Gremium Ortsbeirat) unserer Meinung nach in die Entscheidungsfindung mit einzubinden.

 

2. Fehlendes Vertrauen in die nachgereichten Unterlagen:

  • Fehlendes Angebot für Ortbeton-Variante wirft Fragen auf: bestehende Variante und Variante die in den Stadtteilen Momberg und Mengsberg gebaut wurde, wird nicht in Betracht gezogen?
  • Wie objektiv ist die nachgereichte Kostenschätzung für die Beton-Variante, wissend, dass der Bauantrag für die PE-HD Variante bereits gestellt wurde? Wie hätte der Magistrat in der Öffentlichkeit ausgesehen, wenn die Beton-Variante günstiger geworden wäre?
  • Aus welchem Empfinden heraus verteilt der Magistrat ein 5-seitiges Infoschreiben über den Neubau des Hochbehälters zu einem Zeitpunkt, wo die Entscheidung schon getroffen ist?
  • Die nachgereichten Informationen haben die PE-HD-Variante sehr stark in den Vordergrund gerückt. Eine objektive Betrachtung war nicht mehr gegeben.
  • Ortsansässige Fachleute sehen die Kostenschätzung der Beton-Variante skeptisch.
  • Druck auf den Ortsbeirat: „der OB“ wird sich für mögliche Verteuerungen rechtfertigen müssen.

Fazit aus den Umfrageergebnissen:

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  • Für 95 % der Befragten ist es wichtig oder sehr wichtig, in die Entscheidung eingebunden zu werden.
  • 35% der Befragten hat sich für die PE-HD-Variante entschieden. Für 68% der PE-HD-Befürworter sind die Kosten der Hauptgrund für die Auswahl. Die PE-HD-Befürworter sind nicht bereit (2%), Mehrkosten zu tragen.
  • 63% haben sich gegen die PE-HD-Variante entschieden. Für die Befürworter der Edelstahl- und Betonvariante ist die Baubehälterart (71%) der Hauptgrund Ihrer Entscheidung, für 29% sind auch die Kosten wichtig. Dennoch sind insgesamt 74% der Befürworter der Edelstahl- und Betonvariante bereit, Mehrkosten für Ihre bevorzugte Variante in Kauf zu nehmen.
  • Schlussfolgerung:
    • die Edelstahl-Variante stellt eine kostenneutrale Alternative zur PE-HD-Variante dar.
    • die Befragten sind der Meinung, dass die Beton-Variante nicht zwingend teurer wird als die PE-HD-Variante.
    • Die Mehrheit ist für eine nachhaltige Baubehälterart und nicht für PE-HD.
    • Das inhaltlich einseitige Anschreiben des Magistrates hat die PE-HD-Variante bestärkt.

Handlungsempfehlung des Ortsbeirats an den Magistrat:

Der Ortsbeirat hat grundsätzlich eine beratende Funktion. Demnach können wir nur eine Handlungsempfehlung aussprechen:

  • Zukünftig ist der Ortsbeirat frühzeitig in Vorgänge einzubinden und gesamtheitlich zu informieren.
  • Wir entnehmen den Umfrageergebnissen, dass eine Mehrheit der Befragten keine PE-HD-Variante bevorzugt. Wir empfehlen daher, die Entscheidung zur PE-HD-Variante zu überdenken.
  • Das Beitragsmodell ist aufgrund vieler Rückmeldungen nochmals zu hinterfragen.

Entscheidung des Magistrats vom 03.06.2025:

An die Bürgerinnen und Bürger von Speckswinkel,

der Magistrat respektiert die Arbeit, die Ortsvorsteher Martin Naumann und der Ortsbeirat in die Bürgerbefragung zur Variantenauswahl beim Neubau des Hochbehälters investiert haben.

Zugleich dankt er für die Sachlichkeit mit der das Thema auch bei der Vorstellung der Umfrageergebnisse in der Sitzung des Magistrates durch Ortsvorsteher und Ortsbeirat am 3. Juni behandelt wurde.

Der Magistrat räumt ein, dass die Informationen zur Materialauswahl im Vorfeld an den Ortsbeirat hätte ausführlicher sein können und wird die diesbezügliche Kritik für die Zukunft annehmen.

Zugleich versichert er nochmals ausdrücklich, dass dies unbewusst geschah. Wir gingen davon aus, dass die Frage der Finanzierung jene des Materials klar überwiegt.

Das Ergebnis der Umfrage bezog der Magistrat bei seiner abschließenden Meinungsbildung mit ein. Gleichwohl hält er einstimmig daran fest, dass der Hochbehälter in der HD-PE-Variante ausgeführt werden soll. Nach Auffassung des Magistrates entspricht diese Lösung dem Stand der Technik, weißt keine Gesundheitsgefährdung aus und verspricht die kostengünstigere Alternative zu sein.

Dem Magistrat ist die finanzielle Belastung der Eigentümer bewusst. Die Veranlagung entspricht der Wasserversorgungssatzung und dem Vorgehen in den anderen Stadtteilen. Über die vorgesehenen Ratenzahlungen und die Möglichkeit der Einzelfallbetrachtung wurde im Rahmen der Bürgerversammlung informiert.

Die gewählte Beitragsvariante ist für die übergroße Mehrheit der Betroffenen die günstigere.

Für den Magistrat
Thomas Groll
Bürgermeister

Stellungnahme zur Entscheidung des Magistrats aus Sicht des Ortsbeirat Speckswinkel:

Werte Bürgerinnen und Bürger von Speckswinkel,

zuletzt wurde seitens der Ortsbeirates ausführlich über den geplanten Neubau des Hochbehälters informiert und mit Euch diskutiert.

Der Ortsbeirat hat den Magistrat insbesondere für das späte Teilen von Informationen kritisiert. Das dadurch entstandene Misstrauen in die nachgereichten Unterlagen hatte uns dazu bewogen, eine Bürgerumfrage zu starten. Es sollte vorrangig festgestellt werden, welche Baubehälterart die Grundstückseigentümer favorisieren und ob diese bereit wären, für Ihre Variante Mehrkosten zu tragen.

Die vollständigen Umfrageergebnisse wurden dem Magistrat in einer Sitzung am 03.06.2025 vorgestellt.

Wir haben anhand der uns vorliegenden Ergebnisse die Handlungsempfehlung ausgesprochen, die Entscheidung über die PE-HD-Variante zu überdenken, da sich 63% der Umfragerückläufer für alternative Varianten entschieden haben.

Weiterhin haben wir darauf hingewiesen, dass es viele kritische Stimmen zu dem Beitragsmodell gibt und der Magistrat das Modell nochmals hinterfragen soll.

Der Ortsbeirat hat viele Gespräche mit Anwohner geführt und auch öffentliche Sitzungen und Bürgersprechstunden angeboten, um über alle Fragen rund um den Neubau des Hochbehälters zu informieren.

Die Umfragequote von nur 40% sorgt bei uns für Verwunderung, schließlich ist jeder Grundstückseigentümer von der Entscheidung direkt betroffen.

Mit einer starken Umfragebeteiligung hätten wir sicherlich mehr Rückenwind gehabt und dem Magistrat stärkere Argumente vortragen können.

So bleibt es am Ende bei der vom Magistrat im Januar 2025 getroffenen Entscheidung der PE-HD-Variante.

Im Namen des Ortsbeirates von Speckswinkel
Martin Naumann
Ortsvorsteher